Freitag, 22. September 2017

Neubau in Berlin kommt trotz hoher Bedarfszahlen nicht hinterher

Projektentwickler Siegfried Nehls: „Im Dialog mit den Menschen und der Politik lässt sich die Aufgabe lösen“

Der Wohnraummangel in Berlin ist größer, als bisher gedacht. Bausenatorin Katrin Lompscher hat nun die Bedarfszahlen korrigiert, in der Hauptstadt fehlen 77.000 Wohnungen, bis 2030 müssen insgesamt 194.000 neue Wohnungen entstehen, um den Bedarf zu decken.

Nach dem aktualisierten "Stadtentwicklungsplan Wohnen 2030" ergibt sich diese Zahl aus der aktuellen Bevölkerungsprognose. Benötigt werden 117.000 Wohnungen für 181.000 Menschen, zusätzlich muss der Rückstand aus den Jahren 2013 bis 2016 aufgeholt werden. In den vergangenen Jahren wurden nach Expertenmeinung gemessen am Bevölkerungszuwachs 77.000 Wohnungen zu wenig gebaut. Um diesen Nachholbedarf zu decken und das weitere Wachstum zu verkraften, müssten in den kommenden fünf Jahren 100.000 Wohnungen entstehen, also 20.000 pro Jahr. Das sind 6.000 Wohnungen mehr, als bislang berechnet.

Doch von solchen Zahlen ist man in Berlin weit entfernt. Im Jahr 2016 wurden immerhin knapp 14.000 Wohnungen realisiert, die meisten davon durch private Investoren. Dagegen hinken die sechs städtischen Wohnungsbaugesellschaften dem politisch gesetzten Ziel von 6.000 Wohnungen im Jahr immer noch deutlich hinterher. So wurden 2016 lediglich 1.300 kommunale Wohnungen fertig, voraussichtlich 3.000 Wohnungen werden es in diesem Jahr sein. "Um die erforderliche Zahl fertiggestellter Wohnungen zu erreichen, brauchen wir weiterhin das Engagement der Privaten", so die Senatorin. Rund drei Viertel der Flächenpotenziale für den Wohnungsbau befänden sich in Privatbesitz.

Tatsächlich wurde im alten Stadtentwicklungsplan ein zumindest langfristiges Potenzial von Bauflächen für 220.000 Wohnungen ausgewiesen. Inzwischen sind jedoch große Vorhaben wie die Elisabeth-Aue und Randbebauung Tempelhof gestrichen, Tegel ist noch offen und eine Schließung auch ohne Volksentscheid nicht in Sicht.

Für Siegfried Nehls, Vorstand des Projektentwicklers SANUS AG eine Herausforderung, die aber keineswegs unlösbar ist. „Berlin verfügt über großes Potenzial, was freie Bauflächen betrifft. Das muss genutzt werden. Entscheidend ist dabei eine vertrauensvolle und verantwortungsbewusste Zusammenarbeit zwischen der Politik und privaten Entwicklern.“

Trotz der Wohnungsnot wird in Berlin immer leidenschaftlich diskutiert, wenn es um Neubauprojekte und die Schaffung von neuem Wohnraum geht. Manche würden am liebsten ganze Bezirke unter Milieuschutz stellen. Anwohner fürchten sich vor Verdrängung und der Veränderung ihres Kiezes. Auch das Thema Hochhäuser wird kontrovers diskutiert.

„Berlin wächst rapide - übrigens eine Entwicklung, auf die die Stadt auch stolz ist. Berlin genießt deutschland- und weltweit ein hohes Ansehen. Viele, vor allem junge Menschen, zieht es hierher. Diesen Menschen muss angemessener Wohnraum angeboten werden und daher darf es keine falsche Scheu vor Themen wie Nachverdichtung, Neubauten und auch dem Wohnen in der Höhe geben“, so Nehls.

Politik, städtische Wohnungsbauunternehmen und private Investoren müssen Hand in Hand arbeiten, um den dringend benötigten Wohnraum zu realisieren. Für Siegfried Nehls ist das der einzig gangbare Weg:

„Das bedeutet nicht Bauen um jeden Preis! Sicherlich gibt es auch Vorhaben, die kritikwürdig sind und zu Recht kontrovers diskutiert werden. Aber im Dialog mit der Politik und den Menschen lassen sich Kompromisse finden, mit denen alle Beteiligten zufrieden sind.“

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