Freitag, 15. September 2017

Berlin - Wohnen in der Höhe – Entspannung für den Berliner Wohnungsmarkt?

In den 70er Jahren hatte sich Deutschland weitgehend von dem Thema Hochhäuser verabschiedet. Denn die meisten Konzepte für Hochhaus-Siedlungen am Stadtrand waren nicht aufgegangen, oft entstanden soziale Brennpunkte. Ein Beispiel ist die Gropius-Stadt in Berlin. Als 1969 das Ideal-Wohnhaus von Walter Gropius in der gleichnamigen Großsiedlung fertiggestellt war, wurde Neukölln damit Halter eines Berliner Rekordes:

Das fast 100 Meter hohe Gebäude galt als das höchste Wohnhaus der Stadt. Wie sich zeigte, hat es jedoch an Infrastruktur und Mietermix gemangelt, die Folge war eine geringe Wohnqualität, ein trostloses Quartier entstand. Aufgrund solcher Erfahrungen erfreuten sich die sogenannten Wohntürme keiner großen Beliebtheit mehr und galten als sozial problematisch. Natürlich ließen Banken und Konzerne Hochhäuser als Prestigebauten bauen und prägten damit etwa die Frankfurter Skyline. Das Thema Wohnen in der Höhe hatte sich aber für viele erledigt.

Nun wird in Berlin wieder über Hochhäuser nachgedacht. Denn die wachsende Stadt – in wenigen Jahren wird die Vier-Millionen-Einwohner-Marke geknackt – muss sich Gedanken darüber machen, wie dieses Wachstum organisiert werden soll.

Der rot-rot-grüne Senat will sich kümmern. Auch um die Hochhäuser. Denn für die gibt es – abgesehen von einem Wettbewerb für den Alexanderplatz aus den frühen 90er Jahren – keinen richtigen Plan. München ist da lange weiter. Ein Volksentscheid sprach sich bereits 2004 dafür aus, dass kein Haus höher sein darf als die Türme der Frauenkirche - nämlich 100 Meter.
Berlin will nachsitzen.

Bausenatorin Katrin Lompscher (DIE LINKE) fordert verbindliche Leitlinien für die Hochhausentwicklung in Berlin und die Klärung der Frage, an welchen Standorten Hochhäuser städtebaulich und stadtgestalterisch sinnvoll und verträglich sind. Ein Problem sieht die Bausenatorin in den Kosten der Hochhäuser, günstiges Wohnen ist aus ihrer Sicht in solchen Gebäuden kaum realisierbar. Ein Hochhausleitbild ist bereits in Arbeit. 2019 soll dieses Antworten liefern.

Einige Investoren denken an dieser Stelle bereits weiter. So sollen mit dem Projekt „Hotel und Wohnen an der Spree“ an der Fanny-Zobel-Straße zwei Hochhäuser 110 und 100 Meter in die Höhe wachsen. Neben dem Allianz-Tower und den Treptowers entwickelt sich damit an dem Standort eine Skyline an einem der Eingänge zur City. Nur wenig höher ist der Steglitzer Kreisel mit seinen 118 Metern. Nach einer fast 15-jährigen Debatte um Abriss, Neu- und Umbau, Verkaufspreise und Investorenauswahl hat das Land Berlin den Turm an den Eigentümer CG Gruppe übergeben. Insgesamt 329 Wohnungen sollen in dem Turm bis Ende 2020 entstehen.

Siegfried Nehls, Vorstand des Projektentwicklers SANUS AG, befürwortet die Realisierung von Hochhäusern im Berliner Stadtbild: „Hochhäuser sind auch immer ein Ausdruck von höchster Baukultur und -kunst.“ Dieser Prestigegedanke ist für Nehls jedoch nicht ohne weiteres auf Berlin anwendbar. „Berlin hat viele Qualitäten, eine markante Skyline braucht die Stadt gar nicht. Das hat auch historische Gründe. Dennoch ist Wohnen in der Höhe ein Konzept, um der wachsenden Wohnungsnot zu begegnen. Das war auch der ursprüngliche Gedanke, der Wohntürmen zugrunde lag. Damals musste man angesichts rasch steigender Bevölkerungszahlen aus den vorhandenen Flächen das Beste machen und baute in die Höhe.“

Viele Experten sehen die ursprüngliche Form des Wohnens in der Höhe jedenfalls nicht mehr als zeitgemäß. Moderne Konzepte zeigen einen Nutzungsmix auf, der Wohnungen, Büros und Gewerbe in einem Haus vorsieht. Das würde der Vision einer verkehrsberuhigten Smart City entgegenkommen und Probleme, wie sie sich damals in der Gropius-Stadt entwickelt haben, möglicherweise vermeiden.

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